A great article in Der Spiegel, for now still in German only, about the Occupy Money Cooperative. Here’s the text:
Occupy-Institut: Sparkasse für die unteren 99 Prozent
Die Wucht der Occupy-Bewegung ist fast vergessen. Doch eine Gruppe beharrlicher New Yorker Aktivisten präsentiert jetzt ein erstes, konkretes Ergebnis der Massenproteste von 2011: ein eigenes Geldinstitut für Arme.
Im Zuccotti Park fing alles an. Mit eher skeptischer Neugier schaute Carne Ross in jenem September 2011 am Occupy-Camp unweit der Wall Street vorbei. Der britische Ex-Diplomat, der hier eine Beratungsfirma führt und auf der Lower East Side wohnt, wollte wissen, was es mit dieser Aktion auf sich hatte.
Die Skepsis verflog schnell. Der Massenprotest gegen das US-Finanzsystem bewegte Ross zutiefst. “Es war ein unglaublich inspirierendes Erlebnis”, erinnert er sich. “Vielleicht das inspirierendste, das ich je hatte. Hunderte Leute, die miteinander kommunizierten und sich zuhörten. Es war enorm beeindruckend.”
Auf dem Platz campen konnte Ross nicht, da er zu Hause Kinder hat. Statt dessen verbrachte er ein paar Abende dort und hinterließ dann am Info-Tisch eine Notiz, auf der er vorschlug, ein Komitee für eine “alternative Bank” zu gründen. Eine eigene Occupy-Bank sozusagen.
Als er nach zwei Wochen zurückkehrte, hatten 19 Leute unterschrieben. Ross lud sie zum ersten Treffen in sein helles Büro im Flatiron District ein, es kamen rund 70. “Es war chaotisch”, lacht der 46-jährige Ross, der jetzt am selben Konferenztisch sitzt, an dem sie damals miteinander stritten, mit Blick über die Dächer Manhattans. “Jeder hatte etwas zu sagen.”
“Die Leute werden im großen Stil von den Banken betrogen”
Aus dem anfänglichen Chaos erwuchs nun, fast zwei Jahre später, das erste und bisher einzige fassbare Ergebnis der Occupy-Bewegung, deren Geist sonst meist verflogen ist. Es ist zwar – noch – keine Bank, aber das Nächstbeste: die Occupy Money Cooperative.
In ersten Presseberichten fälschlicherweise als “Occupy-Bank” bezeichnet, bietet sich diese Kreditgenossenschaft als “ethische Alternative” zum US-Bankensystem an, das, so Ross, “all das versinnbildlicht, was falsch ist am Kapitalismus”. Die etablierten Banken seien nichts als eine enorme “Schwindelei”, sagt er, mit ihren Gebühren, undurchsichtigen Spekulationen und dubiosen Kreditprodukten: “Die Leute werden im großen Stil betrogen.”
Das sind die gleichen Klagen, die die Occupy-Bewegung schon im Herbst 2011 vorbrachte. Mit einem Unterschied: Während sich das politische Washington mit einer halbgaren Finanzmarktreform aus der Affäre zog und die Wall Street weiterzockte wie zuvor, ist die Occupy Money Cooperative der erste konkrete Versuch, es besser zu machen – von unten.
Ein Geldinstitut für Arme und Benachteiligte: Fundraising für die Genossenschaft soll, nach einiger Verzögerung, nun endlich Mitte August beginnen, über die Website der Kooperative. Jeder, der beiträgt, bekommt Mitspracherecht über die künftige Strategie.
Jeder zehnte US-Bürger hat kein Bankkonto
Sobald das Startkapital zusammen ist (“ein paar hunderttausend Dollar mindestens”), wollen sie ihr erstes Produkt lancieren – die Occupy Card. Diese Prepaid-Debitkarte ist eine Art tragbares Konto, über das man nur den Saldo ausgeben kann, den man vorher auch eingezahlt hat. Monatsgebühr: nur 99 Cent.
Zielgruppe sind nicht nur die, die die Nase voll haben von ihrer Großbank. Sondern auch die Abermillionen, die gar kein Konto haben – rund zehn Prozent der US-Bürger. Sollte das Projekt Erfolg haben, wollen sie es später dann auf “alle finanziellen Dienstleistungen” ausweiten.
Rund ein Dutzend Occupy-Aktivisten sind von der Gründungsphase der Kooperative übrig. Alle arbeiten freiwillig, ohne Salär und oft nach Feierabend. Ein Direktorium koordiniert das Projekt, angeführt von Ross, der früher für Großbritannien als Uno-Diplomat arbeitete, doch aus Protest gegen den Irak-Krieg hinschmiss und jetzt als Politikberater tätig ist.
Mit im Direktorium sitzen Finanzexperten wie der Cornell-Professor Robert Hockett und der Deutsche Christian Brammer, der lange Jahre bei der Deutschen Bank verbrachte, dann ebenfalls ausstieg und heute selbständiger Risiko- und Finanzberater in New York ist.
“Eines Tages wird uns Visa gehören”
Brammer, der nördlich der Stadt “im Wald” lebt, kannte Occupy nur aus der Presse. Der 53-Jährige stieß dazu, als er Ross bei einem Dinner kennenlernte. “Da kam relativ schnell zutage, dass wir gemeinsame Interessen haben, was die Finanzwelt angeht”, sagt er. “Viele Banken scheinen vergessen zu haben, dass sie eine gesellschaftlich nützliche Rolle zu spielen haben.”
“Wir wollten etwas tun, das nicht allzu radikal ist”, sagt Ross. “Mainstream – nur besser und billiger.”
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Eine richtige Bank zu gründen, bleibt für sie aber zunächst unerreichbar, da es sich, so Brammer, als “aus gutem Grund mühsam” entpuppte: Es hätte zwei Jahre gedauert und mindestens zwei Millionen Dollar gekostet. So einigten sie sich auf die Debitkarte als Start – und eine eigene Bank als langfristiges Ziel.
Nach mühsamen Klinkenputzen fanden sie einen Prepaid-Anbieter, den Namen mag Ross noch nicht verraten. Fest steht, dass die Karte über das Visa-System läuft. “Dafür haben wir viel Kritik von Occupy eingesteckt”, sagt er. “Aber es gibt leider keine andere Möglichkeit.”
Und wer weiß: “Eines Tages wird uns Visa gehören.”